Ursache und Schmerzen bei der Kalkschulter die auch Tendinosis calcarea genannt wird.
Schmerzen an der Schulter sind häufig. In vielen Fällen sind Verkalkungen an bzw. in den Schultersehnen Ursache dieser Schulterschmerzen. Patienten mit der Diagnose Kalkschulter, die in der Literatur auch Tendinosis bzw. Tendinitis calcarea genannt wird, haben meist lange Beschwerden bevor die Diagnose Kalkschulter gestellt wird.
Zu Beginn der Erkrankung sind die Beschwerden meist noch gering und treten vor allem bei Überkopfarbeiten und Überkopf-Sportarten auf. Später treten die Beschwerden auch im Alltag auf und rauben Betroffenen nicht selten die Nachtruhe. Das Schlafen auf der Schulter wird in aller Regel zu Qual.
Eine neue Therapie, die sogenannte ultraschallgestützte microinvasive Kalkentfernung auch Nadel-Lavage genannt, verspricht schnelle und schonende Hilfe. Eine vielzahl aktueller Studien hat die Effiktivität dieser Behandlung bei nahzu keinerlei Risiken bereits unter Beweis gestellt, so dass Schulterspezialisten weltweit die Therapie empfehlen. Leider ist sie in Deutschland noch relativ unbekannt.
Wodurch die so genannte Kalkschulter (Tendinosis calcarea) ausgelöst wird, ist abschließend noch nicht geklärt. Auch neueste wissenschaftliche Studien konnten bisher die Auslöser und Vorgänge in der Sehne nicht mit Sicherheit ausfindig machen. Aber es gibt viele Hinweise auf die Entstehungsursache. Am wahrscheinlichsten ist eine verminderte Durchblutung, mit einem dadurch einhergehenden Sauerstoffmangel (Sauerstoffpartialdruck im Gewebe ist vermindert) der Sehnenzellen, Auslöser der Verkalkungen.
Die Sehnen im Schulterbereich haben von Natur aus bereits eine schlechte Blutversorgung. Bei einigen Menschen scheinen die Blutgefäße nochmals etwas geringer ausgebildet zu sein, was dann ein Auslöser für eine Verkalkung seien könnte. Auch ein erhöhter Druck auf die Sehne kann die Durchblutung der Sehne herabsetzen.
Wodurch wird der Druck auf die Schultersehnen erhöht?
Der häufigsten Ursachen für eine Erhöhung des Druckes auf eine Schultersehne sind eine muskuläre Dysbalance oder Verkürzung der Gelenkkapsel. Durch ungleichmäßig zusammenarbeitende Muskeln kommt es zu einer minimalen Verschiebung des Oberarmkopfes. Dieses Phänomen ist nicht selten. Auch eine Verkürzung der Gelenkkapse,l meist im hinteren Schulterbereich, kann zu dieser Verschiebung des Oberarmkopfes führen. Durch unseren Alltag, aber auch durch Sportarten wie z. B. Tennis haben die meisten Menschen eine deutlich besser entwickelte Brustmuskulatur als obere Rücken und Nackenmuskulatur. Bereits hierdurch ergibt sich eine muskuläre Dysbalance Haltungskonstanzen bei z. B. Büroarbeit oder monotone Tätigkeit tun ihr Übriges.
Durch die Verschiebung des Oberarmkopfes wird der Raum zwischen Oberarmkopf und Acromion (Schulterdach) bzw. Coracoid (ein Knochenfortsatz am Schulterblatt) eingeengt. Diese Einengung steigert den Druck auf die Sehne und die dazugehörigen Blutgefäße. Sie werden gequetscht und der Blutfluss dadurch vermindert. Die Folge ist die bereits angesprochene Durchblutungsstörung.
Neuere Studien zeigen das extrazelluläre Matrix Vesikel für die Verkalkung verantwortlich sind, die durch die schon beiden vorgenannten Faktoren (Druckstörung und Durchblutungsmangel) zur Bildung von Kalk angeregt werden. Die Verkalkung an der Schulter hat aber nichts mit Kalkablagerungen in den Blutgefäßen oder einer „Verkalkung“ im Kopf zu tun.
Alters- und Geschlechtsverteilung
In der Literatur differieren die Aussagen zu Geschlechtsverteilung und Altersverteilung zum Teil erheblich. Viele dieser Studien überblicken aber nur ein kleines Patientenkollektiv. Fallzahlen von 50 bis 200 je Studie sind keine Seltenheit.
Aufgrund der großen Patientenzahl der letzten Jahre in unserer Praxis sind wir in der Lage selbst wissenschaftliche Studien und Auswertungen zum Thema Kalkschulter zu publizieren.
Unsere letzte Auswertung im Rahmen meiner Vortragstätigkeit von mehr als 1300 Patienten konnte zur Geschlechts- und Altersverteilung folgende Ergebnisse liefern:
Frauen sind häufiger von einer Kalkschulter betroffen als Männer.
Unsere Untersuchung zeigt, dass Frauen mit ca. 60 % deutlich häufiger als Männer mit einem Anteil von ca. 40 % an einer Kalkschulter leiden.
Die Altersverteilung unserer Untersuchung deckt sich weitgehend mit den Ergebnissen der anderen wissenschaftlichen Literatur. Die Kalkschulter ist überwiegend eine Erkrankung des mittleren Lebensabschnittes.
Unter dem 30 Lebensjahr ist das Auftreten eine Rarität und im zunehmenden Alter tritt die Erkrankung immer seltener auf. Dies spricht auch dafür, dass es sich bei diesem Krankheitsbild nicht um ein degeneratives Geschehen handelt. Ansonsten müssten mit zunehmenden Alter die Verkalkungen immer häufiger auftreten.
Typischerweise verläuft die Erkrankung Kalkschulter phasenweise und beschreibt einen Kreislauf
Die vier Phasen der Kalkschulter-Erkrankung - Ausgangs- und Endpunkt des Kreislaufs ist die gesunde Sehne
Präkalzifikation |
Diese Phase wird eingeleitet durch eine mangelnde Sauerstoffversorgung. Auslöser kann eine Durchblutungsstörung oder Druckerhöhung im Sehnengewebe mit Gefäßkompression sein.
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Kalzifikation |
In der Kalzifikationsphase kommt es zur Einlagerung von Kalk in die Sehne. Die in der Phase zurvor gebildeten Knorpelzellen lagern Karbonatapatit ein Calciumsalz um sich herum. Die noch vorhandenen Fasern in diesem Bereich verschmelzen mehr und mehr bis sich Kalkherd mit kreidiger und krümmeliger Konsistenz gebildet hat. Hieran schließt sich eine Ruhephase an, in der das Krankheitsbild zunächst nicht weiter voranschreitet. Der Kalkherd ist von einer festen Faserkapsel umschlossen. Je nach Größe des Kalkherdes beschreiben die Patienten in dieser Phase Bewegungseinschränkungen im Schultergelenk und gelegentliche Schmerzen. An diese Ruhephase schließt sich die Resorption an. Aus bisher nicht gefundenen Gründen wachsen plötzlich Blutgefäße und Nervenfasern in den Kalkherd ein. Über die Blutgefäße wandern Fresszellen (Makrophagen und Risenzellen) in den Kalkherd ein und verflüssigen den Kalk. Durch plötzliche Druckerhöhung kann der Kalkherd aufplatzen und der jetzt flüssige Kalk ergießt sich in den darüber leigenden Schleimbeutel. Dies führt zu einer massiven Entzündung mit oft stärksten Schmerzen.
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Postkalzifikation |
Diese Phase könnte auch als Heilungsphase bezeichnet werden. Über die Blutgefäße wandern Fibroblasten (Bindegewebszellen) in den Defektbereich ein. Diese Bilden Kollagenes Bindegewebe um den Sehnendefkt zu verschließen. In einem sogenanten Remoddelingprozess wird nach und nach dieses Kollagen umgebaut bis wieder intaktes Sehnengewebe entstanden ist
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Gesunde Sehne |
Die letzte Phase ist auch zugleich der Ausgangspunkt der Erkrankung. Nach dem Remodellingprozess ist die Sehne wieder geheilt und wir können von einer gesunden Sehne sprechen. |
Wie kann eine Kalkschulter festgestellt werden?
Die mit Sicherheit schnellste, sicherste und zugleich schonendste Methode ist die Ultraschalluntersuchung. Da bei dieser Untersuchung durch Drehung des Arms alle Sehnenabschnitte beurteilt werden können, werden Kalkherde sehr schnell erkannt und die Größe und Lage läßt sich ebenfalls sehr gut bestimmen.
Mit der Röntgenuntersuchung lassen sich Kalkherde auch sehr schön darstellen. Hier sind jedoch meist Aufnahmen aus verschiedenen Richtungen notwendig, um Kalkherde die z.B. durch den Oberarmkopf überlagert werden sicher darstellen zu können.
In der Kernspintompgraphie kann die Darstellung von Kalkherden schwierig sein. So dass die Radiologen, die die Bilder anfertigen, nicht selten zusätzlich eine Röntgen- oder Ultraschalluntersuchung zusätzlich empfehlen.
Oben ist ein Kernspinbild mit einer sehr schönen Darstellung eines Kalkherdes.
Die Vergrößerung des Kernspinbildes zeigt sehr schön die Besonderheit einer Kalkschulter. Der Kalkherd ist mit dem roten Pfeil markiert.
Sehr schön ist zu erkennen, dass der fast schwarz dargestellte Kalkherd mitten im Verlauf der Sehne liegt. Über und unter dem Kalkherd können sie grau den Verlauf der Sehne erkennen.
Typisch für die Kalkschulter ist, dass der Kalkherd nicht auf oder unter der Sehne sitzt sondern mittig in einer Sehne.
Warum dann eine ärztliche Behandlung?
Insbesondere die zweite Phase der Erkrankung kann sehr lange, zum Teil mehrere Jahre, andauern. Diese Situation führt bei vielen Patienten Phasenweise zu immer wieder auftretenden stärkeren Schmerzen mit Bewegungseinschränkung gefolgt von Phasen mit geringeren Beschwerden. Viele Patienten beklagen jedoch nie wirklich schmerzfrei zu sein. Aus diesem Grund ist es für die meisten Patienten sehr unbefriedigend darauf zu warten, dass sich der Kalkherd von alleine auflöst.
Kommt es dann zur spontanen Kalkauflösung treten oft aus dem Nichts heraus akute Schmerzen auf (dies ist auch das typische Symptom der akuten Kalkauflösung der Tendinitis calcarea). Die Bandbreite dieser Schmerzen geht von mäßigen Schulterschmerzen bis zum Teil unerträglichen Schmerzen. Eine aktive Bewegung der Schulter ist dann gar nicht mehr möglich und bereits leichte Berührungen verursachen starke Schmerzen. Meine Erfahrung zeigt, je schneller ein Kalkherd sich auflöst, umso stärker ist die hierdurch ausgelöste Entzündung und desto heftiger sind die Schmerzen. In dieser sehr schmerzhaften Phase ist natürlich eine ärztliche Therapie wichtig.
Wenn wir allgemein über die Therapie der Kalkschulter oder Tendinosis calcarea sprechen, muss man wissen, dass ein Arzt nicht vorhersagen kann - wann und ob es wirklich zur vollständigen Selbstauflösung des Kalkherdes kommt. Bei einer schmerzhaften Kalkansammlung an der Schultersehne, sollte festgestellt werden in welcher Phase des Krankheitsverlaufes der Kalkschulter er sich befindet. Dies ist wichtig um eine Therapie phasengerecht durchzuführen
Die Therapiemöglichkeiten
Neben der offenen Operation, bei der unter Vollnarkose der Kalkherd entfernt wird, hat sich die arthroskopische Operation, ein Schlüssellochverfahren, als weiteres operatives Verfahren etabliert. Nicht operativ steht die Therapie mit Spritzen, Schmerzmitteln, Krankengymnastik und die Stosswellentherapie zu Verfügung. Eine spezielle Diät oder diverse Nahrungsergänzungsmittel haben bei der Kalkschulter bisher keine Wirksamkeit belegen können.
Als neue sehr vielversprechende Therapie hat sich die microinvasive ultraschallgestützte Kalkentfernung (Nadel-Lavage) in lokaler Betäubung bereits bewährt. Dieses Verfahren wird bei entsprechender Indikation in unserer Praxis mit großem Erfolg durchgeführt. In den letzten 9 Jahren haben wir mehr als 4000 Behandlungen durchgeführt (Stand: 2.7.2017) und verfügen damit sicher über die meiste Erfahrung mit diesem Therapieverfahren Deutschland.
Neben der microinvasiven Therapie, der wir mittlerweile den Vorzug geben, sind wir auch in der Lage Kalkherde oder andere Erkrankungen der Schulter arthroskopisch zu beheben. Mit mehr als 350 jährlich durchgeführten Arthroskopien an der Schulter verfügen wir über eine sehr große Erfahrung und Routine bei diesen Eingriffen.
Als Schulterzentrum sind wir in der Lage Ihnen jedes der vorgenannten Verfahren zur Therapie der Kalkschulter anbieten zu können und sind nicht auf ein einziges Verfahren beschränkt.
Das nachfolgende Video zeigt eine arthroskopische Entfernung eines Kalkherdes: